„Handysüchtig? Ich doch nicht!“ Doch, ich war eine Zeit lang komplett handysüchtig. Und da meine ich jetzt nicht die Zeit nach dem Schlaganfall. Da bin ich wirklich fast nur am Handy gehängt, weil ich auch nicht wirklich was anderes tun konnte, glaubte ich jedenfalls zu der Zeit. Bis ich dann bemerkt habe, wie krank das ist und dass es mir bei meiner Genesung NULL weiterhelfen wird. Also habe ich angefangen zu lesen, zu schreiben (rechts ging ja noch) und zu zeichnen. Ich habe wieder angefangen zu leben, obwohl ich körperlich komplett eingeschränkt war.
Auch davor war es nicht leicht für mich mein Handy weg zu legen. Instagram, Tinder und Co. haben mein Leben bestimmt. Das letzte vor dem Einschlafen und das erste nach dem Aufwachen war der Blick aufs Handy. Ich konnte mich gar nicht mehr mit mir selbst beschäftigen, stattdessen beschäftigte mich der nächste Schritt von Kaley Cuoco und wer mich so aller gematched und mir geschrieben hat. Dass ich dabei natürlich ewig nicht aus dem Bett kam, wird gar nicht in Frage gestellt.
Nutzungsverhalten von anderen
Ich fing an, das Nutzungsverhalten anderer zu beobachten. Am Weg zur Reha beobachtete ich zwei befreundete Mädchen (um die 10, 11), die ins Handy starrten und offensichtlich ein Spiel spielten. Anstatt, dass sie sich unterhielten, lachten und sich erzählten, was sie gestern so getrieben haben, ärgerten sie sich, weil sie nicht in das nächste Level aufstiegen.
Ich beobachtete eine Mutter mit ihrem Kleinkind, die ständig am Handy hing, hie und da vielleicht mal zu ihrem Kind aufblickte, ihm den Schnuller wieder reinschob, damit es aufhört zu weinen und wieder weiter machte. Natürlich interessierte mich was sie denn am Handy macht, das wichtiger ist als ihr Kind. Ich stand auf und versuchte unbemerkt auf ihren Bildschirm zu schauen: Zalando.
Ich beobachtete eine Hand voll Jugendliche, die wohl gleich Schule aus hatten, wie ich Reha. Sie lachten laut, schrieben im Bus herum und ließen Schreie aus, wie „die würd ich von hinten packen“. Die Jungs waren nicht älter als 15, wohlgemerkt. Ich konnte beim Herumreichen einen kurzen Blick auf das Display erhaschen, es war offenbar ein Instagramgirl, das sich mit ihrem Stringtanga so auf den aufblasbaren Flamingo setzte als würde sagen wollen: „Ja bitte, pack mich von hinten.“
Und das war nur der Anfang! Hab mittlerweile schon ein paar mehr Geschichten. Ich habe aufgehört zu jeder freien Minute, die ich auf Bus oder Co. warten muss, auf mein Handy zu starren. Ich nehme meine Umgebung wieder wahr, mir kommen Ideen oder mir fällt etwas auf, das mir noch nie aufgefallen ist. Handysüchtig zu sein kann einen ziemlich einschränken.
Handy-Sucht
Die Handy-Sucht ist ein kaum erforschtes Phänomen. Die Symptome kennt jedoch jeder: Ist uns etwa nur wenige Sekunden langweilig, zücken wir das Handy und nutzen nicht mehr die Zeit über etwas nachzudenken oder uns zu entspannen. Wir scrollen stattdessen durch die unendlichen Weiten von Instagram und Co., swipen, doubletappen, folgen, entflogen und lassen uns berieseln.
Laut Hirnforschung konnte jedoch festgestellt werden, dass die Hirnaktivität bei Menschen mit problematischer Smartphone-Nutzung, die eines Suchtkranken (Alkohol, Drogen, Nikotin, Spielsucht, etc.) ähnelt. Eigentlich arg oder?
Apps sind so programmiert, dass man sie die ganze Zeit nutzen will
Ein weiteres Problem, abgesehen davon, dass das Handy mittlerweile irrsinnig viele Funktionen übernommen hat: Rechner, Wecker, Navi, Walk-Man, Zeitung, Radio, Fernsehen, etc., ist, dass Apps so konfiguriert sind, dass man sie ständig nutzen möchte. Kein Wunder wird man handysüchtig.
Inzwischen weiß man, dass positive soziale Interaktion zu einer genauso starken Ausschüttung von Dopamin führt, wie das Rauchen einer Zigarette, das Shoppen, die Schokolade, etc. Und genau das machen sich Social-Media-Apps zunutze. Um den Menschen zu einer bestimmten Handlung zu bewegen, müssen 3 Bedingungen erfüllt sein:
- Motivation: Der Wunsch nach sozialem Kontakt!
- einfach: Die Handlung muss einfach sein. Das Handy zu zücken ist einfach!
- Wiederholung wird zur Gewohnheit: Zückt man aus Langeweile bei der Busstation immer wieder das Handy, entsteht ein Automatismus. Irgendwann reicht schon das alleinige Sehen der Bushaltestelle und man zückt ohne zu überlegen das Smartphone.
Gesunder Umgang mit dem Smartphone
Ich habe, meines Erachtens, wieder den gesunden Umgang mit dem Handy gelernt.
- Ich habe es aus dem Schlafzimmer verbannt. Hier ein Beitrag dazu!
- Ich nehme es meist erst eine Stunde nach dem Aufstehen in die Hand.
- Ich habe mir einen Wecker gekauft.
- Ich habe fast alle Notification ausgestellt.
- Ich habe nur meine Favoriten auf laut.
- Ich hab das Handy nicht mehr in meiner Hosentasche, sondern in der Tasche, dem Rucksack verstaut
- Ich nehme es bei Treffen mit Freunden fast nicht mehr in die Hand und habe es meist in der Tasche, oder weit weg liegen.
Was hat sich verändert?
- Meine Schlafqualität hat sich verbessert! Enorm!
- Ich bin ruhiger, gelassener.
- Ich bin aufmerksamer.
- Ich kann mich besser konzentrieren.
- Ich pflege meine „realen“ sozialen Kontakte mehr.
- Ich habe nicht mehr das Gefühl etwas zu verpassen.
- Ich habe mehr Zeit für andere Dinge, wie lesen, ein Bad nehmen, meine Übungen machen, mehr Blogbeiträge zu schreiben, etc.
- Ich bin öfter mit Arnold (mein Hund) unterwegs.
- Ich habe wieder mehr kreative Ideen.
- Ich genieße Sachen wieder bewusster. (Wie z.B. den Kaffee in der Früh)
Beobachtet doch mal euer Handynutzungsverhalten und schaut ob ihr vielleicht ansatzweise handysüchtig seid! Ich freue mich über einen Austausch!
Quelle: Die Zeit
Hier findet ihr übrigens auch noch ein sehr aufschlussreiches Video!
Hallo,
damit habe ich gar keine Probleme, weil ich noch nie ein Handy hatte und auch nicht vor habe, mir eines zu kaufen. Es ist ein Spielzeug für nicht Erwachsen werden wollende. Angeberei für Teenies im „Nichtschwimmerbecken“ (= noch nicht richtig im Beruf). Eine Modeerscheinung, die das Gegenteil von Kreativität auslöst. Das da eine Generation von Verblödeten heranwächst, die kaum noch Lesen und Schreiben, ist ja kein Wunder. Aber das sollte in einem gewissen Alter Sache der Eltern sein.
Ich gebe dir recht, wenn ich das Ganze auch etwas netter formulieren würde! 🙂 Und es hat glaube ich nichts mit erwachsen werden zu tun. Das Kind in einem sollte man sich doch auf jeden Fall bewahren und das ist mit der ständigen Handy-Ablenkung noch viel weniger möglich.